"Die Innenraumluft wird wesentlich vom Verbraucher und Innenraumnutzer selbst beeinflusst, sei es durch den Kauf und die Verwendung von Produkten, von denen schädliche Emissionen von Stoffen in die Innenraumluft ausgehen können, durch Verhaltensweisen wie das Rauchen oder durch die Art der Lüftung von Wohnräumen. Es ist daher wichtig, dass jeder einzelne seiner Verantwortung für sich, seine Gesundheit, aber auch die der Mitbenutzer von Innenräumen gerecht wird. Dazu ist es erforderlich, die Öffentlichkeit über innenraumrelevante Belastungsfaktoren aufzuklären und Alternativen des Handelns aufzuzeigen [...]"
Unstrittig ist, dass die Innenluftqualität für unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden von großer Bedeutung ist. Überall liest man von Schadstoffen in der Innenraumluft. Und damit ist jetzt nicht der Zigarettenrauch gemeint, sondern Luftverunreinigungen aus Materialien oder Produkten, mit denen die Wohnung eingerichtet oder das Gebäude gebaut wurden: Gebäude-Schadstoffe.
Schon seit Jahrzehnten stehen einige Stoffe in der Kritik die man inzwischen getrost als Altlasten bezeichnen kann: Asbest, künstliche Mineralfasern, polychlorierte Biphenyle (PCB), Pentachlorphenol (PCP), Formaldehyd, Polycyclische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) und Radon, um nur mal die wichtigsten zu nennen. Sie sind mittlerweile gut erforscht und der Gesetzgeber hat ihre Anwendung europaweit beschränkt oder verboten. Und sie sind mit oft erheblichem Sanierungsaufwand wieder entfernt worden. Informationen zu den bekanntesten Schadstoffen, ihren Akut- und Langzeitwirkungen finden sich auf unzähligen Websites. Hier eine kurze Übersicht für den Nicht-Chemiker.
Mir geht es um die neueren Gebäude-Schadstoffe: Flüchtige organische Verbindungen (englisch Volatile Organic Compounds, VOC) die aus Baustoffen ausgasen und deren Liste mit den oben genannten Altlasten nur anfängt und mit den Jahren stetig länger wird. Fachleute unterscheiden zwischen den sehr flüchtigen organischen Verbindungen (Very Volatile Organic Compounds, VVOC, Siedepunkt <50°C), den VOC (Siedepunkt 50 bis 250°C) und den schwerflüchtigen organischen Verbindungen (Semivolatile Organic Compounds, SVOC, Siedepunkt >250°C). Die Summe ergibt den TVOC-Wert (Total Volatile Organic Compounds), also ein Summenparameter für alle gas- und dampfförmige Stoffe organischen Ursprungs in der Raumluft.
Mit steigender TVOC-Konzentration nimmt die Wahrscheinlichkeit für gesundheitliche Beschwerden zu.
Schädigung von Personen durch VOC-Emissionen müssen natürlich vermieden werden, deshalb hat der Ausschuss zur gesundheitlichen Bewertung von Bauprodukten (AgBB) das sogenannte AgBB-Schema entwickelt, welches das Ausgasungsverhalten (die Emission) von Baustoffen misst und beurteilt.
Als Verbraucher sollte man emissionsarme Baustoffe wählen. Diejenigen die keine bedenklichen Schadstoffe freisetzen werden zum Beispiel mit dem Umweltzeichen Blauer Engel gekennzeichnet. Man kann auch nachschauen ob die Baustoffe nach dem AgBB-Schema erfolgreich geprüft wurden. Wenn ja, dann ist ihre VOC-Abgabe auf ein Mindestmaß reduziert.
Mein Beruf ist die Entwicklung von Baustoffen, also die Neu- und Weiterentwicklung von Bauprodukten wie Innenputz, Dekorputz, Anstrichstoffe, Bodenausgleichsmassen, Bodenbeläge und Klebstoffe wie Tapetenkleber und Fliesenkleber. Alles großflächig angewendete Baustoffe und damit potentielle Quellen für Schadstoffe (VOC). Als Produktentwickler will ich natürlich die schädlichen VOC-Emissionen aus "meinen" Baustoffen so gering wie möglich halten. Deshalb beschäftigt mich dieses Thema fast täglich, denn es bedeutet eine wesentliche Einschränkung bei den einsetzbaren Rohstoffen. So manches Additiv fällt weg, welches zur Steuerung bestimmter Eigenschaften zugesetzt wurde oder das die verarbeitungsoffene Zeit verlängert hat. Alles Chemikalien die erst vor relativ kurzer Zeit den Weg in die Rezepturen der Baustoffe gefunden haben, soll heißen: Die nicht zu den eingangs genannten Altlasten gehören.
Bei den VOC handelt es sich um Substanzgemische, die sehr unterschiedlich zusammengesetzt sein können. Sie werden vom Menschen normalerweise gar nicht wahrgenommen, können aber massive gesundheitliche Schäden bis hin zur chronischen Vergiftung auslösen. Für einige Innenraumschadstoffe gibt es mittlerweile Richtwerte als Orientierungspunkte. Da die Raumluft viele organische Substanzen enthalten kann und Richtwerte nur für relativ wenige Einzelsubstanzen existieren, wird die Raumluftqualität mit Hilfe der TVOC-Werte definiert - siehe Tabelle [3].
Die erlaubten TVOC-Ausgasungen aus Baustoffen laut AgBB-Schema sind maximal 1,0 mg/m³. Die exakten Bedingungen sind viel komplizierter, aber der TVOC28-Wert genügt mir hier. Die TVOC-Ausgasungen von emissionsarmen Baustoffen liegen also voll im unbedenklichen Konzentrationsbereich.
Zitate aus Sicherheitsdatenblättern von Duftölen:
Unnötigerweise werden zu den ohnehin (unausweichlich) vorhandenen Verunreinigungen der Raumluft zusätzliche Substanzen in die Raumluft gebracht. Die sogenannten "Lufterfrischer" in Form von Raumsprays und Duftspendern überfluten unsere Aufenthaltsräume (Wohnung, Auto) mit Duftstoffen die als allergieauslösend und gesundheitsschädlich eingestuft sind. Die Werbung sagt uns, dass wir unser Wohlbefinden dadurch steigern. Die ätherischen Öle sollen belebend oder entspannend wirken. Dass sie Kopfschmerzen, Schwindel oder Konzentrationsstörungen auslösen und die Atemwege reizen können, davon steht in der Werbung nichts. Bei Öko-Test, BGA und DAAB dafür um so mehr.[6, 7, 8, 10] Zwischen ein und drei Prozent der Bevölkerung reagierten bei verschiedenen Studien auf Duftstoffe allergisch (Kontaktallergie) [10].
Für bestimmte Duftstoffe sind für Kosmetika bereits gesetzliche Warnhinweise vorgeschrieben weil sie starke Allergene sind, z. B. Limonen (orangenartiger Zitrusduft), Citral (frischer Zitronengeruch), Eugenol (Nelkengeruch) oder Linalool (frischer, blumiger Geruch). Für weitere befürwortet das BGA die Begrenzung der Anwendung aufgrund der hoch allergenen Wirkung: Eichenmoos (eines der am meisten verwendeten Duftnoten in der Parfümerie), Isoeugenol (Geruch nach Gewürznelke) und Hydroxycitronellal (blumig-süßer Maiglöckchenduft). [10] In Aromaölen muss keines der genannten deklariert werden.[6]
Der DAAB hat Ergebnisse einer bundesweiten Umfrage zum Einsatz von Raumbeduftung veröffentlicht [8]. Fast jedes vierte öffentlich zugängliche Gebäude wurde beduftet - überwiegend Kinobetreiber, Hotels und Kaufhäuser tun das. Jeder Dritte befragte Anwender glaubte damit die Luftqualität zu verbessern, und weniger als die Hälfte informierten über den Duftstoffeinsatz. Für Astmatiker und Allergiker ist solch ein ungefragter Einsatz von Duftstoffen verständlicherweise ganz besonders gefährlich, denn sie laufen Gefahr ernsthafte Atemprobleme dadurch zu bekommen. Der DAAB kommt zu dem Ergebnis, ...
"..., dass der Verbraucher zurzeit nicht erkennen kann, ob die Verwendung eines bestimmten Produktes seine Gesundheit gefährdet oder nicht. Weder die Einkaufsquelle noch die Applikationsform ist ein Garant für Gefährdung oder Unbedenklichkeit. Diese Unsicherheit lässt nur den Schluss zu, Duftstoffe zu meiden und besser die Quelle der Geruchsbelästigung zu eruieren und zu entfernen anstatt sie zu maskieren. Auch die Verwendung von Produkten auf so genannt rein natürlicher Basis kann eine hohe Raumluftbelastung verursachen."